Exklusivinterview mit Thierry Ehrmann, Gründer und CEO von Artprice.com

[10.06.2011]

 

Boursica.com: Herr Ehrmann, wie ist Artprice entstanden?

Thierry Ehrmann: Ganz am Anfang steht vor allem eine enorme kollektive Arbeit hervorragender Kunsthistoriker. Innerhalb von 14 Jahren haben wir praktisch das gesamte kunstrelevante Verlagsmaterial in Europa, den USA und seit kurzem auch in Asien erworben. Dieses umfasst Verlagshäuser, Kunstdokumentationen aus aller Welt und Vermögenswerte im Wert von über 30 Mio.€. Wissenswert ist zudem, dass wir mit der von mir gegründeten Serveur-Gruppe – der Muttergesellschaft von Artprice, die sich auf gerichtliche, juristische und wissenschaftliche Datenbanken spezialisiert – seit 1985 im Internet präsent sind. Wir waren daher in der Lage, uns vorzubereiten und unsere wichtigsten Zielobjekte im Zuge unseres Eintritts in den Kunstmarkt in den 1990er-Jahren zu identifizieren

Boursica.com: Welches waren denn diese Zielobjekte?

Thierry Ehrmann: Wir legten unser Augenmerk auf legendäre Gesellschaften und Werke, wie z.B. den Guide Enrique Mayer (1962/1987), den renommierten Dictionnaire des Ventes d’Art 1700-1900 von Dr. H. Mireur, das führende US-Verlagshaus Sound View Press mit seinen mehr als 50 Datenbanken über die USA (1991), die Editions Franck Van Wilder (1970), die Schweizer Xylogic, ein globales, auf Kunstmarktindizes spezialisiertes Unternehmen (1985), die Datenbank von Bayer zum anglosächsischen Kunstmarkt von 1700 bis 1913, Caplans Enzyklopädie der Signaturen und Monogramme (USA), ein globales Referenzwerk (1976), L’Argus du Livre de Collection et des Manuscrits (France), ein weiteres globales Referenzwerk (1982); usw. und so fort…. Wir haben sie alle aufgekauft. Seit 14 Jahren betreiben wir zudem eine systematische Kaufpolitik, in deren Rahmen wir Manuskripte und Kataloge, vor allem aus der Zeit zwischen 1700 und 1970, aus aller Welt erwerben. Wir können gar nicht anders als dieses historische Wissen zu kaufen, denn ohne dieses ließe sich der Kunstmarkt nicht mit Sicherheit normieren, und die Werke könnten weder lückenlos zurückverfolgt noch korrekt der Biographie des betreffenden Künstlers zugewiesen werden. Wir sind weit über die Millionen Arbeitsstunden der Historiker, Forscher und Journalisten am Kunstmarkt hinausgegangen, welche die Werke aus diesen Manuskripten und Katalogen von 1700 bis zum heutigen Tag dokumentiert und beschrieben haben. Aus diesem Grund verfügen wir heute über die umfassendste Datenbank zum weltweiten Kunstmarkt. Diese Datenbank ermöglicht die Verfolgung der Kunstwerke im Laufe der Jahrhunderte. Sie umfasst 108 Millionen Bilder und Gravierungen von Kunstgegenständen des genannten Zeitraums sowie von unseren Kunsthistorikern verfasste Kommentare. Darüber hinaus aktualisiert Artprice ihre Datenbanken in Echtzeit mit Informationen, die wir von rund 4‘500 Auktionshäusern zusammentragen. Zudem veröffentlichen wir laufend Beiträge zu den Trends am Kunstmarkt, die wir den wichtigsten Agenturen und weltweit rund 6‘300 Kunstpublikationen zukommen lassen. Auf diese Weise sind wir mit unserem Copyright und unserer Internetadresse tagtäglich und völlig kostenlos in der Presse rund um den Erdball vertreten. Da bleiben in Bezug auf Bekanntheitsgrad und Kommunikation kaum noch Wünsche offen.

Boursica.com: Wie ging es mit der Entstehungsgeschichte von Artprice weiter?

Thierry Ehrmann: Wir gingen zu Beginn zu den Ursprüngen des Kunstmarkts um das Jahr 1700 zurück. Erst um diese Zeit wurden die Künstler von Aufträgen der Kirche und des Adels unabhängiger und schufen ihre Werke auf Basis einer weiter gefassten Nachfrage. Die Entstehung eines Kunstmarkts im ökonomischen Sinn lässt sich auf diesen Zeitraum festlegen. Seit 14 Jahren verfügen wir über Experten und Händler, die in der ganzen Welt für uns tätig sind und uns informieren, wenn sie auf Manuskripte und Kataloge stoßen, die wir erwerben können. Wir haben so viele davon gekauft, dass das Angebot mittlerweile ziemlich knapp geworden ist. Zu Beginn bezahlten wir teuer dafür, aber wir etablierten uns zusehends, und die jüngsten Publikationen erwerben wir jedes Jahr zu äußerst vernünftigen Preisen … Dieser Fundus ist weltweit einzigartig. Wir überprüfen in selbst und machen ihn dann Forschern aus aller Welt zugänglich.

Boursica.com: Worin besteht denn der Mehrwert dieses Dokumentarfundus?

Thierry Ehrmann: Unsere Arbeit in den Datenbanken von Artprice gleicht in erster Linie dem Bergbau: Man muss tagtäglich in die Mine hinabsteigen und schürfen, was wir seit 15 Jahren tun. Mit über hundert Mitarbeitern stießen wir so ins neue Jahrtausend vor. Zurzeit beschäftigen wir noch 45 Mitarbeiter, weil unsere gesamte Arbeit nun in den Datenbanken stattfindet. Im vergangenen Jahrzehnt haben wir die Anzahl Mitarbeiter um zwei Drittel reduziert und unsere Serverkapazität nahezu verdreißigfacht. Um den Kunstmarkt zu standardisieren, mussten wir zuerst das gesamte bestehende Inventar an Kunstwerken sowie die Biographien Hunderter von Künstlern vom 4. Jahrhundert vor Christus bis zum heutigen Tag aufarbeiten. Dabei stießen wir bisweilen auf Hunderte von Homonymen, denen es die jeweils richtigen Werke zuzuordnen galt.

Boursica.com: Wie erstellen Sie Ihre Referenzpreise im Wissen, dass ein Gemälde seiner Natur nach einzigartig ist?

Thierry Ehrmann: Nehmen wir beispielsweise ein auf das Jahr 1850 datiertes Werk: Wir verfolgen seine Spur von Auktionshaus zu Auktionshaus und haben damit immer die Sicherheit, dass es sich tatsächlich um dasselbe Objekt handelt. Wir kennen somit seinen Preis und seine Rendite Jahr für Jahr. Aus diesem Grund sind wir die weltweit einzige Instanz, die eine ökonometrisch einwandfreie Methode für den Kunstmarkt als Ganzes anbieten kann. In der Ökonometrie wird dies als Repeat-Sales-Methode bezeichnet, weil wir in einem homogenen Markt arbeiten. Andere Informationsanbieter stützen sich auf arithmetische Durchschnittswerte und setzen vergleichende Methoden ein, was aber zu Fehlern führt, weil ihre Studien auf einem heterogenen Markt basieren.

Boursica.com: Wie haben Sie dieses Problem in so kurzer Zeit umgehen können?

Thierry Ehrmann: Aus ebendiesem Grund wendeten wir 2000 ein kleines Vermögen für die Übernahme des renommierten Schweizer Unternehmens Xylogic auf. Dieses beschäftigte Wissenschaftler, die seit 1985 sämtliche Algorithmen und Indizes zum Kunstmarkt konzipiert hatten. Zehn Jahre später waren wir die einzigen, die über derart gigantische Datenbanken (über 700 Terabytes) verfügen. In unseren eigenen Informatikräumlichkeiten stehen fast 900 Server, die wir als Besitzer über unser eigenes Glasfaseroptiknetz betreiben. Wir sind somit nicht von externen IT-Dienstleistern abhängig, was die extrem hohe Geschwindigkeit unserer Entwicklungen und unserer F&E-Abteilung sowie die geringen IT-Aufwendungen erklärt. Für Artprice entscheidend ist der Umstand, dass es uns gelungen ist, die weltweit größte Sammlung an alten Manuskripten und erläuternden Katalogen zusammenzutragen. Dieser riesige Dokumentenfundus wurde in unserer Erfolgsrechnung im Übrigen nach äußerst vorsichtigen Prinzipien unter Ausgaben verbucht. Dies ist für unsere Aktionäre eine gute Nachricht, zumal diese Aktiven damit in der Bilanz nicht aufgeführt sind, obschon sie ganz offensichtlich sehr wertvoll sind. Tag für Tag ergänzen wir unsere Datenbanken mit neuen Fakten aus aller Welt. Wir haben Datenbanken aus dem anglosächsischen Raum, aus China und Holland erworben, ohne die wir nicht arbeiten könnten. Selbst wenn wir die besten Kunsthistoriker auf diese Herausforderung ansetzen würden, könnten sie nicht dasselbe Resultat erzielen. Nehmen wir beispielsweise einen holländischen Maler namens Dick Van. Dieses Patronym ist in Holland derart verbreitet, dass wir ohne unsere Datenbanken nicht gewährleisten könnten, von ein und demselben Künstler und seinen Werken zu sprechen.

Boursica.com: Was antworten Sie jemandem, der Sie fragt, weshalb sich alle bei Artprice informieren?

Thierry Ehrmann: Dem ist ganz einfach so, weil wir keine wirklichen Konkurrenten haben und die einzigen sind, die über eine Million Biographien auch bisher nicht beschriebener Künstler führen und deren Datenbanken 108 Mio. Bilder und Gravierungen von Kunstobjekten umfassen. Selbst wer Artprice nicht besonders mag, kommt nicht um unsere Datenbanken herum, wenn er sich für einen bisher noch nicht sehr bekannten oder sogar gänzlich unbekannten Künstler interessiert. Dasselbe gilt für die Identifikation eines seltenen Kunstwerks. Die Menschen sehen lediglich die Spitze des Eisbergs Artprice, derweil es sich hauptsächlich um eine enorm aufwändige, nicht immer einfache Arbeit handelt. Ich frage mich manchmal selbst, woher wir die dazu nötige Kraft genommen haben. Nach all den Jahrzehnten lässt sich dies rationell wohl nur mit unserer Leidenschaft für unsere Arbeit erklären.

Boursica.com: Waren die an der Börse beschafften Mittel, neben dem Kapital der Serveur- und der Bernard-Arnault-Gruppe, für den Erfolg der Akquisitionen von Artprice verantwortlich?

Thierry Ehrmann: Ja, aber nur teilweise, denn dass Scheckbuch alleine hätte nicht ausgereicht, um den gesamten Fundus zu erwerben. Die vormaligen Besitzer waren bekannte Historiker oder Autoren mit oftmals eher schwierigem Charakter, die bisweilen bereits Schwindel erregende Angebote erhalten und abgelehnt hatten, weil der finanzielle Aspekt für diese Persönlichkeiten bestenfalls nebensächlich war. Wir mussten sie zuerst von unserem Projekt überzeugen, wie z.B. Frank Van Wilder oder Peter Hastings Falk. Diese Datenbanken sind die wahren Vermögenswerte von Artprice, und sie sind in unseren Bilanzen gemäß dem Vorsichtsprinzip nicht mit ihrem wahren Wert verbucht, obschon sie sehr wertvoll sind. Sie stellen zudem auch aus Sicht der Aktionäre die hauptsächlichen Aktiven der kommenden Jahre dar. Die IRFRS-Rechnungslegungsstandards erlauben es uns nicht, den wahren Wert unserer Gesellschaft anzugeben. Es erstaunt daher nicht, dass unsere Marktkapitalisierung an der Börse der Wahrheit sehr viel näher kommt – der Markt täuscht sich in Bezug auf ein Unternehmen wie Artprice, dass seit mehr als zehn Jahren an der Börse gelistet ist, nur höchst selten.

Boursica.com: Wie halten Sie es mit den Reproduktionsrechten der ins Internet gestellten Werke?

Thierry Ehrmann: Die Reproduktionsrechte der Werke sind im Rahmen unseres spezifischen Vertrags mit der ADAGP abgedeckt. Es handelt sich dabei um das weltweit repräsentativste Unternehmen in diesem Bereich, das in mehr als 43 Ländern Nutzungsgebühren einzieht und an die Inhaber der Nutzungsrechte verteilt. Diese für die digitale Wirtschaft bahnbrechende Vereinbarung (2007) wird von verschiedenen Kulturministerien in Europa, darunter jenem Frankreichs, regelmäßig als beispielhaft zitiert. Auch in dieser Hinsicht hat sich Artprice einen deutlichen Vorsprung im Vergleich zu etwaigen Konkurrenten verschafft.

Boursica.com: Ist es möglich, Artprice zu kopieren?

Thierry Ehrmann: Nein, unter keinen Umständen. Alles ist urheberrechtlich geschützt. Ich habe unter anderem eine Ausbildung als Jurist im Bereich literarisches und künstlerisches Urheberrecht, und in den 1990er-Jahren gründete ich eine Interessensgruppe für den Schutz von Datenbanken in Europa, der in das “Sui Generis”-Gesetz mündete. Dieses Gesetz in Europa entspricht in etwa den Softwarepatenten in den USA. Vereinfacht gesagt, wäre es jedermann, selbst wenn ihm Kapital in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro zur Verfügung stünde, untersagt, Datenbanken oder einen standardisierten Artprice-Kunstmarktplatz aufzubauen. Er würde wegen Fälschung verurteilt und mit einer Busse belegt, die sich an der Höhe der Investitionen orientiert. Zudem würde er mit einem Verbot der Nutzung seiner Datenbanken belegt. Ein etwaiger Konkurrent müsste daher nicht nur mit umfassendsten finanziellen Mitteln ausgestattet sein, sondern auch eine Ergonomie und Struktur erfinden, die sich grundsätzlich von jener von Artprice unterscheiden. Wenn wir den Vergleich extrem vereinfachen wollen, könnten wir sagen, dass hier der Umstand, dass ein Auto Räder hat, urheberrechtlich geschützt wurde. Ein Konkurrent müsste folglich ein Fahrzeug auf Schienen oder einer Zahnstange konzipieren, was eine extrem schwierig zu überwindende Eintrittshürde darstellt.

Boursica.com: Wie können Sie gewährleisten, dass die Auktionshäuser auf Artprice zurückgreifen werden?

Thierry Ehrmann: Mehr als 80% der internationalen Auktionshäuser erstellen ihre Kataloge auf Basis unserer Daten in Echtzeit. Sie verfügen dabei über die Biographie des Künstlers und die Rückverfolgbarkeit des Werks sowie sämtliche Preise und Indizes des Künstlers, um den Preis schätzen zu können. Zwischen 2001 und 2003 haben wir mit 3600 Auktionshäusern und 7400 Experten telefoniert oder diese besucht. Diese Marketing- und Umsetzungsstudie war mit hohen Kosten für Reisen rund um den Erdball sowie Löhne verbunden. Die Auktionshäuser selbst hatten keine Datenbanken, und die Auktionatoren verfügten bestenfalls über Word- oder Excel-Dokumente. Von den größten Auktionshäusern verfügen einige selbst heute noch über keine digitalen, in Datenbanken organisierte Angaben.

Boursica.com: Wie ist es möglich, im Jahr 2011 einen derartigen Rückstand bezüglich Informatik und Internet zu haben?

Thierry Ehrmann: Es ist an sich unglaublich, aber hier scheint sich eine alte Informatikregel zu bewahrheiten: Je mehr ein Berufsstand oder eine soziale Organisation über Macht oder Wissen verfügt, desto mehr wird die Informationstechnologie geschmäht oder ignoriert – bis zu jenem Tag, an dem sie sich gezwungen sehen, den Forderungen ihrer Kunden nachzukommen. Dann kommt Artprice wie gerufen. Unsere professionellen Kunden sind daher höchst loyal und nehmen unsere Dienstleistungen über Jahre in Anspruch, was wiederum unseren Aktionären gelegen kommen dürfte. Wir haben daher ein Intranet konzipiert, über welches ein Auktionshaus seinen Katalog rasch in gedruckter und digitaler Form für das Internet erstellen kann. Es kann gleichzeitig seine künftigen Auktionsangebote mit einem einfachen Mausklick auf den standardisierten Kunstmarktplatz von Artprice stellen. Nehmen wir beispielsweise einen Verkauf zeitgenössischer Kunst von 63 Künstlern: Das Auktionshaus kann für seine Marktpräsenz einen digitalen Modus wählen, der von unseren 1,3 Mio.Kunden selektiv nur jene anspricht, die diese 63 Künstler verfolgen und nachfragen. Diese Selektivität lässt sich weiter eingrenzen, z.B. auf eine bestimmte Schaffensperiode eines bestimmten Künstlers. Dies ist eine „Killer Application“, von der große wie kleine Auktionshäuser, die ein Vermögen für Werbung und Marketing ausgeben, seit langem träumen. Für eine Auktion der „gehobenen Klasse“ kann sich der Posten Werbung und Marketing für das Auktionshaus auf 70-80% der Ausgaben belaufen, während er mit Artprice lediglich auf 4,5% zu stehen kommt.

Boursica.com: Warum haben Sie das Demeure du Chaos als Firmensitz von Artprice gewählt – Provokation oder Strategie?

Thierry Ehrmann: Weder noch. Das Universum der Demeure du Chaos („Residenz des Chaos“) ist untrennbar mit der Geschichte von Artprice und der Serveur-Gruppe, die seit 1987 zu den Pionieren des Internets zählt, verbunden. Beide Gesellschaften haben ihren Firmensitz im Demeure du Chaos. Das Demeure du Chaos, von der New York Times als Abode of Chaos bezeichnet, wurde 1999 von mir konzipiert. Das Konzept fußt auf dem alchimistischen Chaos unseres 21. Jahrhunderts, das zugleich tragisch und prunkvoll ist und dessen Glut am 11. September 2001 geschürt wurde. Die Demeure du Chaos ist praktisch gleich alt wie Artprice, die drei Jahre später ins Leben gerufen wurde. Zwölf Jahre sowie 1890 gedruckte und audiovisuelle Reportagen aus 72 Ländern später ist sie laut der internationalen Kunstpresse zu einer „Factory“ und einem angesagten und weltweit einzigartigen Museum avanciert. Ein Open-Air-Museum mit Gratis-Eintritt, das über 3.627 Werke ins beste Licht rückt und damit jedes Jahr rund 120.000 Besucher anzieht. Jedes Mal, wenn die internationale Kunstpresse über das Demeure du Chaos berichtet, wird selbstverständlich auch Artprice erwähnt. Wie hätte ich Artprice, diese fast schon mythische Gesellschaft, die 90% der internationalen Presse mit Kunstmarktinformationen versorgt, aus dem Nichts aufbauen können, wenn ich nicht selbst mit Fleisch und Blut Plastiker mit einer Leidenschaft für die Kunstgeschichte wäre? Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie viele Menschen mein Museum besuchen. Nach Eintritten sind wir bereits die Nummer 2 in Lyon, und die meisten Besucher sind auch Kunden oder Aktionäre von Artprice. Jedes Jahr führen wir unsere Generalversammlung im Demeure du Chaos durch, und seit zehn Jahren erhalten wir nur ermutigenden Zuspruch. Unsere Kunden im Allgemeinen und die weltweiten Kunstgalerien im Besonderen arbeiten ganz bewusst mit Artprice zusammen, deren Gründer als Bildhauer und Plastiker seit mehr als 25 Jahren dem Urheberrechtsverband angehört. Schlagen Sie meine Biographie im Who’s Who nach, dann werden Sie verstehen, was ich meine. Ich habe weltweit zahlreiche Werke ausgestellt. Man muss wissen, dass das Kunstmilieu hoch sensibel ist und dass Artprice in den 1990er-Jahren von gewissen Puristen als Fremdkörper angesehen wurde, dem die Sensibilität ihres Milieus fehlt. Als Beleg hierfür wurden unsere Indizes, unsere Preisangaben, unsere Statistiken und natürlich der Umstand, dass wir an der Börse gelistet sind, ins Feld geführt. Dank des Demeure du Chaos sind diese Puristen zu unseren treusten Kunden geworden. Dies ist die wirkliche Antwort auf Ihre Frage!

Boursica.com: Wie hoch würden Sie den Wert von Artprice ansetzen?

Thierry Ehrmann: Seit fast 120 Jahren gilt gemäß der Vergleichsmethode, dass sich der Wert eines Auktionshauses zu etwa 80% aus seinem Kundenstamm (zwischen 800$ und 4’000$ pro Kunde) und zu rund 20% aus seiner Marke ergibt, wenn diese einen hohen Bekanntheitsgrad genießt. Um den Unterschied zwischen einem mit 800$ und einem auf 4’000$ geschätzten Kunden zu verstehen, beurteilt man die Strukturierung der Informationsschichten zum jeweiligen Endkunden und berechnet den Preis entsprechend.

Boursica.com: Könnten Sie das anhand eines konkreten Beispiels etwas näher erläutern?

Thierry Ehrmann: Nehmen wir beispielsweise eine Auktion des Bildhauers Arman (1928/2005). Als Niveau 1 (800 Dollar) könnte z.B. gelten, wenn Ihnen das Auktionshaus sagt: Wir haben 4500 Kunden, welche die neuen Realisten wie Yves Klein, César, Arman oder Nikki de Saint-Phalle usw. kaufen. Niveau 2 wäre, wenn Ihnen das Auktionshaus jene Kunden nennen kann, die ausschließlich Skulpturen von Arman erwerben, obschon dieser auch als Maler und Fotograf tätig ist. Das Nonplusultra, das zurzeit nur Artprice anbieten kann, ist das Niveau 3: In der Lage zu sein, jene 4500 Kunden weltweit anzusprechen, die Arman-Skulpturen zum äußerst spezifischen Thema „organische Abfallkübel“ suchen. Derart fein strukturierte Informationen sind für Auktionshäuser und Kunsthändler so etwas wie der Heilige Gral, denn sie geben ihnen die Gewissheit, dass die Auktionsgebote Maximalwerte erreichen werden. Man darf folglich davon ausgehen, dass das Niveau 3 dem oberen Ende der Bewertungsspanne, also rund 4’000$ pro Kunde, entspricht. Dies ist die älteste Methode zur Bewertung von Auktionshäusern. Der hohe Mehrwert von Artprice besteht darin, für eine Auktion jene internationalen Sammler ansprechen zu können, die durch ihre Präsenz eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Verkaufspreises eines Werks bewirken können. Bei einem katalogisierten Verkauf von Werken eines bekannten Künstlers können neue Sammler vom anderen Ende der Welt den Preis um 100% nach oben schnellen lassen. Artprice ist der einzige Anbieter, der diese begehrten Sammler aus 210 verschiedenen Ländern identifizieren kann. Wir können problemlos bestätigen, dass wir auf Artprice zurzeit sämtliche wichtigen Kunstmarktakteure erfasst haben: die Großhändler, die großen Sammler, die Gesamtheit der Auktionshäuser und der Experten – kurz: den harten Kern der Marktmacher, welche die Preise nach oben oder unten drücken. Sie sind systematisch Kunden von Artprice.

Boursica.com: Sogar Ihre Kritiker sind auf Artprice?

Thierry Ehrmann: Selbst unsere härtesten Kritiker bedienen sich unserer Daten. Wir haben 1’300’000 Kunden. Man darf davon ausgehen, dass die Bewertung auf Basis der Nachfrageaktivitäten der Kunden vorgenommen wird. Je mehr Kunden wir haben, die etwas sehr Bestimmtes suchen, desto wichtiger wird die Bewertung für diese Kunden. Wir bieten mit Sicherheit die engsten Suchkriterien an. Je feiner abgestimmt die Suche, desto stärker ist der Kunde geneigt, die Preise während der Auktion nach oben zu drücken, und desto interessanter wird er damit für ein Auktionshaus. Wir haben höchst vollständige Kundendaten mit über 18 Milliarden Einträgen, die den Vorschriften der Commission Nationale Informatique et Libertés (CNIL) und weiterer europäischer und US-amerikanischer Aufsichtsinstanzen entsprechen und es uns erlauben, genau zu wissen, welcher Kunde welche Kunst besitzt oder welches Werk er sucht. Mit etwas Abstand betrachtet, bin ich heute davon überzeugt, dass es sich hierbei um die beste Methode zur Bewertung eines Auktionshauses handelt, ist sie doch 120 Jahre alt und trotzdem immer noch aktuell und hat sich weltweit tausendfach bewährt.

Boursica.com: Wie hoch werden Ihre Provisionen auf die Transaktionen sein?

Thierry Ehrmann: Wir sind äußerst konkurrenzfähig, denn die Vermittlungsgebühren liegen gemäß dem Conseil des Ventes Volontaires , der Aufsichtsbehörde des Kunstmarkts, im Bereich von 37,5%, während sich unsere auf zwischen 4,5% und 7,0% belaufen. Damit sind wir für eine Galerie klar vorteilhafter als eine Bank! Wir erheben 4,5% für die Transaktion selbst, zuzüglich 3,0–4,5% für die Platzierung des Kundendossiers gemäß den erläuterten Möglichkeiten. Dies erlaubt es den Auktionshäusern, potenzielle Käufer gezielter anzusprechen. Denn wir bringen ein Auktionshaus nicht nur in Kontakt mit Käufern, die ein Arman-Kunstwerk suchen, sondern gezielt mit jenen, die beispielsweise an seinen „organischen Abfallkübeln“ interessiert sind. Die Gebühren für Verkäufe zwischen Privaten werden ebenfalls im Bereich von 4,5% liegen.

Boursica.com: Ist Artprice reif für eine Übernahme?

Thierry Ehrmann: Ein feindliches Übernahmeangebot kann ausgeschlossen werden, weil die Serveur-Gruppe das Kapital von Artprice kontrolliert. Eine freundliche Übernahme, die aus Branchensicht sinnvoll ist, z.B. von einem an der Börse gelisteten Auktionshaus, ist aber denkbar. Zu einem besseren Verständnis von Artprice trägt ihr Referenzdokument oder ihr Jahresbericht bei. Diese Berichte sind wahre Goldminen für aufschlussreiche und topaktuelle Informationen.

Boursica.com: Hat Artprice Konkurrenten?

Thierry Ehrmann: Nein, dies wird auch im Jahresbericht klar festgehalten. Alles und jedes ist urheberrechtlich geschützt. In einer gänzlich anderen Liga gibt es lediglich die Gesellschaft Artnet, die in einem ganzen Börsenjahr dieselben Handelsumsätze verzeichnet, die wir in einer Woche erreichen. Artnet ist nicht im selben Bereich tätig wie wir, und sie ist lediglich an einem nicht reglementierten Markt gelistet, weshalb auch ihre Rechnungslegung nicht geprüft wird. Wir sehen Artnet als eine Art Luxus-Host, der seine Produktionsmittel nicht selbst besitzt. Zudem hat die Gesellschaft in gewissen Ländern die Reproduktionsrechte nicht immer respektiert. Des Weiteren war Arnet nicht wachsam und hat sich ihre Marke von mehr als 18 Deponenten in 21 Ländern – davon in einigen bedeutenden – unter der Nase wegschnappen lassen. Und letztlich sind ihre Tarife exorbitant, und die monatliche Anzahl der Nachfragen ist beschränkt, wie das in der Internet-Wirtschaft Anfang der 1990er-Jahre noch gang und gäbe war. Wir glauben, dass man eine extrem aggressive Tarifpolitik verfolgen muss, um weltweiter Marktführer zu werden, wie z.B. Dell, die mit ihrem Modell meines Erachtens die PC- und Serverwelt aufgemischt hat.

Boursica.com: Missbraucht Artprice ihre dominierende Stellung?

Thierry Ehrmann: Nein! Ihre Frage enthält auch gleich die Antwort: Die Wettbewerbsbehörden bestrafen nicht eine dominierende Stellung, sondern deren Missbrauch. Wir haben noch nie einen Verkauf zurückgewiesen, unsere Preise entsprechen der Realität unserer Kosten und Investitionen, und wir haben keinerlei selektive Verkaufspolitik. Vor allem aber sind wir die ursprünglichen Schöpfer sämtlicher Produkte und Dienstleistungen von Artprice, wir pflegen also einen neuartigen und innovativen Ansatz. Gewisse Gesellschaften haben uns einzuklagen versucht, aber sie wurden systematisch abgewiesen. Um den Markt entschieden zu erobern und seine Loyalität zu wahren, sind so niedrige Preise erforderlich, dass ein hypothetischer Konkurrent sofort in die roten Zahlen rutschen würde, weil er nicht schon wie wir sämtliche Investitionen über die letzten 14 Jahre bezahlt hat. Als Beweis hierfür gilt mir, dass zwischen 2000 und 2010 kein einziger neuer Konkurrent auf den Plan getreten ist. Derweil haben wir aufgehört, die Zahl der Internet-Kunstsites zu zählen, die infolge mangelnder Frequentierung und folglich fehlender Umsätze Konkurs gehen. Jede Woche erhalten wir rund ein Dutzend Anfragen zur Übernahme von Marken, Sites oder Domänen-Namen. Meist sind diese für uns von keinerlei Interesse, vielleicht mit Ausnahme von klar fokussierten Mikro-Datenbanken zu Schwellenländern.

Boursica.com: Waren Sie je versucht, Artnet zu übernehmen?

Thierry Ehrmann: Wir sind dreimal wegen eines Kaufs von Artnet angegangen worden. Wir haben daran aber absolut kein Interesse, zumal das Risiko besteht, dass wir in eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten hineingezogen würden. Was die Marke betrifft, so wurde diese wie gesagt nicht weltweit registriert. Wir befänden uns also sofort in urheberrechtlichen Konflikten mit allen anderen Besitzern der Marke Artnet, die im Recht sind.

Boursica.com: Es scheint, dass auch andere Domänen-Namen Zugriff auf die Datenbanken von Artprice nehmen …

Thierry Ehrmann: Ja, selbstverständlich, wie z.B. Artmarket.com. Wir haben 1800 Domänen-Namen (DNS) in neun verschiedenen Sprachen, die sich mit dem Kunstmarkt befassen. Wenn sie Artmarket googeln, erscheint Artprice dank dem DNS Artmarket.com zuoberst auf der Liste. Wir haben die gesamte Semantik, die für den Zugriff auf den Kunstmarkt relevant ist, zu Beginn der 1990er-Jahre registrieren lassen. Einige dieser DNS sind heute Gold wert, weil es sich um, wie z.B. bei Artmarket, um generische Marken in reinster Form handelt. Indes weigern wir uns, diese zu verkaufen.

Boursica.com: Haben Sie neue Kunden?

Thierry Ehrmann: Ja, täglich kommen neue hinzu. Wir haben festgestellt, dass das Durchschnittsalter unserer Kundschaft steigt, weil unseres Erachtens immer mehr (ältere) Menschen das Internet entdecken. Wir helfen diesen neuen Nutzern bei der Navigation auf unserer Site und dem Internet im Allgemeinen. Wir verfolgen eine Politik, in deren Rahmen wir aktiv und überall nach neuen Kunden suchen und diese dann auf Artprice begleiten. Wir nennen diese Kundschaft intern „Silver Surfers“. Laut Diktion der großen Marketingunternehmen handelt es sich dabei um die Surfer mit den grauen Schläfen, die früher als Senioren (Menschen im Alter von über 55 Jahren) bezeichnet wurden. Gleichzeitig sehen wir immer mehr junge Sammler im Durchschnittsalter von 30 bis 35 Jahren, was auch den phänomenalen Erfolg unseres Artprice-Smartphone-Abonnements erklärt. Der weltweite Kunstmarkt ist effektiv von 500’000 Sammlern in der Nachkriegszeit auf heute rund 300 Millionen Kunstliebhaber, Sammler und professionelle Händler an gewachsen. Zu ihren bevorzugten Jagdgründen sind heute im Zuge der Virtualisierung das Internet und damit unser standardisierter Kunstmarktplatz geworden. Es ist offensichtlich, dass der Kontinent Asien die Zahl der Kunstmarktakteure hat explodieren lassen.

Boursica.com: Wie steht es um die finanzielle Verfassung von Artprice?

Thierry Ehrmann: Im Gegensatz zur großen Mehrheit der börsengelisteten Gesellschaften haben wir keinen Cent Schulden. Keine Kreditdeckung vonseiten einer Bank, keine kurz-, mittel oder langfristige Darlehen, keine rückzahlbaren Finanzinstrumente wie Aktienoptionsscheine oder andere Derivate… Was die französische Finanzaufsichtsbehörde AMF nicht selten staunen lässt! Darüber hinaus verfügen wir über eine hohe Liquidität und eine negatives Nettoumlaufvermögen. Ich möchte festhalten, dass ich mit Leib und Seele gegen Kapitalerhöhungen bin. Diese verwässern nicht nur die Titel unserer Aktionäre, sondern behindern darüber hinaus einen sehr raschen Anstieg des Aktienkurses eines börsengelisteten Unternehmens, was oft vergessen wird. Als Beleg hierfür führe ich ins Feld, dass Artprice ungefähr 4 Millionen Aktien im Umlauf hat. Wären wir wie die Mehrzahl der am regulierten Eurolist-Markt kotierten Gesellschaften, so hätten wir rund 20 bis 40 Millionen Titel ausstehen, und unser Kurs wäre in zwei Monaten um lediglich 2€ oder 3€ gestiegen. Stattdessen haben wir in 45 Börsentagen mit einem Handelsumsatz von rund 250 Mio.€ um 22€ zugelegt.

Boursica.com: Warum wurde angesichts der registrierten Handelsvolumen die Deklarationsschwelle nicht überschritten?

Thierry Ehrmann: Gemäß der letzten Überprüfung unserer Namenstitel und Schätzungen ist unser Aktionariat von 18.000 auf schätzungsweise rund 27.000 Aktionäre angewachsen. 2010 waren 81% der Kunden von Artprice auch Aktionäre. Das ist für uns ein Sicherheitsnetz, da sie damit Artprice detailliert kennen. Oft sind es unsere Kunden bzw. Aktionäre, die uns auf mögliche Übernahmeziele hinweisen oder uns Verbesserungsvorschläge für unsere Datenbanken unterbreiten.

Boursica.com: Wie steht es mit Kapital aus China?

Thierry Ehrmann: Das Konzept einer Meldeschwelle ist den Chinesen fremd. Sie beteiligen sich durch verschiedenste Kanäle und bleiben daher unter dieser Schwelle. Wir haben Telefonkonferenzen mit Fondsmanagern abgehalten, von denen zwei Drittel in Hongkong ansässig sind. So etwas habe ich zuvor noch nie gesehen, aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass sie nicht für französische Kunden kaufen.

Boursica.com: Wie lange wird es Ihres Erachtens noch dauern, bis das Gesetz zur Liberalisierung von Auktionsverkäufen verabschiedet wird?

Thierry Ehrmann: Das ist höchstens noch eine Frage von Wochen. Ich stelle fest, dass Frankreich in weniger als 45 Jahren vom weltweit 1. auf den 4. Rang abgerutscht ist. Zuoberst auf dem Podium steht heute China, gefolgt von den USA und Großbritannien auf den Rängen 2 und 3. Zudem wiegt auch der Drouot-Skandal schwer. Wir haben jede Woche mit den Konsequenzen dieses Vorfalls zu tun, und die Untersuchungen haben eben erst begonnen. Ich kann Ihnen zu diesem Thema das Werk “Adjugé Volé” von Michel Deléan wärmsten empfehlen. Es wurden bereits 39 Untersuchungsverfahren eingeleitet. Die Regierung scheint entschlossen, der Sache wirklich auf den Grund zu gehen, zumal Drouot 45% des französischen Kunstmarkts ausmacht. Wir haben die Europäer hinsichtlich der Aufnahme dieser Direktive ins EU-Recht verärgert, weshalb der Druck auf Frankreich nun enorm ist. Dies ist eine Staatsaffäre, und es besteht ein Risiko, dass der Gerichtshof der Europäischen Union gewaltige Bussen aussprechen wird. Die französische Kunstmarktaufsicht CVV glaubt zudem, dass es für Frankreich einem Selbstmord gleichkäme, lediglich eine Minimalreform durchzuführen, und dass es nach den Verfügungen aus Brüssel nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Angelegenheit vor den EU-Gerichtshof gelangt. Wir waren die ersten, die im Jahr 2000 das entsprechende Gesetz, den Code des Ventes Volontaires et Judiciaires, formulierten, das bei den französischen Auktionatoren mittlerweile zur Referenz avanciert ist. Es ist die erste Abhandlung (von 1800 Seiten), welche die erste Reform des Jahres 2000 und ihre Nicht-Umsetzung anspricht. Diese Reform des Jahres 2000 war eine gigantische Farce, denn die Auktionatoren hielten an ihrem Monopol aus dem Jahr 1535 fest, sodass für jeden einzelnen Verkauf weiterhin eine Bewilligung eingeholt werden musste. Wenn Letztere erst einige Tage oder sogar erst einige Stunden vor dem Verkauf erteilt wurde, stellte dies eine hohe Hürde für den freien Verkehr von Produkten und Dienstleistungen in Europa dar, insbesondere für Auktionen von Kunstgegenständen im Internet. Wir vereinen sämtliche Erfolgsfaktoren. Der Prozess genießt definitiv breite Unterstützung. Der Gang der Geschichte lässt sich nicht aufhalten, und wir sind mit von der Partie. Wir mussten nur Geduld haben und gleichzeitig dieses 500-jährige Monopol mit aller Kraft niederreißen, indem wir uns auf einen gesetzlichen Kreuzzug von zehnjähriger Dauer begaben.

Boursica.com: Warum haben Sie nicht einfach den Firmensitz verlegt?

Thierry Ehrmann: Weil dies mit hohen Kosten verbunden gewesen wäre. Ganz zu schweigen vom Umstand, dass wir künftig in einer Fremdsprache hätten kommunizieren und uns an einen neuen Börsenmarkt hätten gewöhnen müssen. Dann wäre da zudem der physische Umzug der ganzen Systeme und unserer Mitarbeiter usw.

Boursica.com: Wie sehen Sie die französische Vermögenssteuer (ISF)?

Thierry Ehrmann: Das ist eine sehr ernste Sache. Die Union pour un Mouvement Populaire (UMP) hat diesen Vorschlag ins Parlament eingebracht. Laut ihrer Analyse sollte eine Vermögenssteuer lediglich latente unbestreitbare Vermögenszuwächse betreffen. Ich bin nicht unbedingt dafür, ich halte dies nicht für die richtige Lösung. Aber die Parlamentarier haben sehr wohl verstanden, dass ihnen Artprice die Möglichkeit gibt, den Sammlern zu sagen, dass die Kunstwerke in ihrem Besitz eine klar bestimmbare Rendite generieren. Indes ist es offensichtlich, dass dies dem Artprice-Marktplatz zum Vorteil gereichen wird, da die Nutzer anonym auftreten, weil Artprice sowohl die Identität des Käufers als auch des Verkäufers schützt. Dies ist in den physischen Auktionssälen nicht möglich. Wir haben am Tag der Ankündigung und in den Stunden danach festgestellt, dass die Zahl der von unseren Kunden eingerichteten virtuellen Portfolios explodierte, weil diese die Preisentwicklung ihrer Sammlungen simulieren wollten.

Boursica.com: Ist ein baldiger Wechsel in das Long-Only-Segment des Deferred Settlement Service denkbar?

Thierry Ehrmann: Vielleicht im September. Die Entscheidung liegt beim Wissenschaftsausschuss der Euronext, aber es ist klar, dass wir die Eintrittkriterien mehr als erfüllen.

Boursica.com: Haben Sie Ihr System für die künftigen Online-Auktionen einem Backtesting unterzogen?

Thierry Ehrmann: Selbstverständlich. Wir haben im Ausland Beta-Tests durchgeführt, und alles ist betriebsbereit. Die Auktionshäuser sind für ihre Kataloge bereits an unser Intranet angebunden. Was den Marktplatz betrifft, so glaube ich, dass 80% der Auktionshäuser und professionellen Händler sowie 20% der Sammler und Privatpersonen dabei sein werden. Sobald das Gesetz verabschiedet wird, werden die Auktionatoren unsere besten Kunden sein. Sie sagen es sogar selbst: „Das lässt sich nur mit Artprice machen.“ Sie sind Ende der 1990er-Jahre und nochmals 2005 nicht auf den Internet-Zug aufgesprungen, und heute ist es dafür zu spät, zumal dies zu teuer wäre. Die Vorführung ist damit bereits ausverkauft.

Boursica.com: Wie hoch ist die Durchdringung von Artprice im chinesischen Markt?

Thierry Ehrmann: Um den Erfolg zu gewährleisten, haben wir diverse chinesische Datenbanken erworben. Anders wäre dies nicht möglich gewesen. Wir haben dabei die volle diplomatische Unterstützung der chinesischen Behörden genossen. Ohne diese hätte es nicht funktioniert, weil die Auktionshäuser teilweise vom Staat kontrolliert werden. Das chinesische Kulturministerium hat sich bemüht, uns zu zeigen, dass China die Nummer 1 auf dem globalen Kunstmarkt ist. Wir haben in Lyon chinesische Mitarbeiter, und wir benötigten nach unserer Entscheidung, in den chinesischen Markt vorzustoßen, lediglich vier Jahre, um dort betriebsbereit zu sein.

Boursica.com: War Ihr Weg zum weltweiten Marktführer mit Schwierigkeiten verbunden? Die Art und Weise Ihres Vorgehens gibt bisweilen Anlass zu Vorwürfen.

Thierry Ehrmann: Stimmt, und ich übernehme dafür die 100%ige Verantwortung. Wir haben in 14 Jahren 126 Prozesse in diversen Ländern geführt. Angestrengt wurden diese von den Vertreibern zahlungspflichtiger Bücher, die wir von Verlagshäusern gekauft hatten. Diese Vertreiber wollten sich eine Scheibe von den Internet-Umsätzen abschneiden. Dispute hatten wir zudem mit zahlreichen Artprice-Nachahmern, für die wir keinerlei Toleranz zeigen. Wir haben 117 dieser Prozesse gewonnen, darunter alle wichtigen. Nehmen wir die fünf französischen Auktionshäuser, von denen gewisse effektiv bei Drouot angesiedelt sind: Sie haben alle auf einen Weiterzug des Urteils vor das Appellationsgericht verzichtet. Die Ausnahme war Camard, die wir nun strafrechtlich verfolgen. Die verlorenen Prozesses waren solche gegen Dritte, die keinerlei Einfluss auf den Gang der Dinge unserer Unternehmens, seine finanzielle Entwicklung oder seine Ziele haben. Christie’s World ist einer unserer schönsten Siege.

Boursica.com: Darf man demnächst auf eine Dividendenausschüttung hoffen?

Thierry Ehrmann: Ja, gemäß unseren Prognosen sollte dies 2013/2014 möglich sein. Ich finde aber, dass wir unsere Aktionäre bereits mit dem Anstieg unseres Aktienkurses substanziell bereichert haben. Wir stärken vorab unsere Eigenkapitalposition, um die Server und weitere sehr teuere Ausrüstungsgüter finanzieren zu können. Nur so ist es uns möglich, uns weltweit und unter Wahrung einer maximalen Sicherheit weiterzuentwickeln. Ich rufe in Erinnerung, dass wir die einzigen sind, die unsere eigenen Server-Räumlichkeiten betreiben. Wir gelten in Frankreich als Internet-Pioniere. Laut Time Magazine war die Serveur-Gruppe der erste Internet-Provider Frankreichs, und der zweite in ganz Europa. Der Vermögenszuwachs für unsere Aktionäre über den Aktienkurs ist derart hoch, dass zu Beginn nicht beides – Aktienkurssteigerung und Dividende – zu haben ist. Dies umso mehr, als wir nie eine Kapitalerhöhung durchgeführt haben.

Boursica.com: Wie wird sich der Status-Wechsel nach Einführung des Gesetzes auf den Jahresumsatz auswirken?

Thierry Ehrmann: Er wird wortwörtlich explodieren! Das Wachstum wird enorm sein.

Boursica.com: Darf man dann davon ausgehen, dass ein Aktienkurs von 30€ nur der Anfang war?

Thierry Ehrmann: Es lässt sich feststellen, dass der Kurs auf die 2005/2006 verzeichneten Niveaus zurückgekommen ist. Damals begann man von der Umsetzung der „Directive Services“ zu reden. 30 EUR ist nur der Anfang, eine einfache Rückkehr zu den Notierungen der Zeit, bevor Frankreich dem Rest Europas während fünf Jahren mit seiner jämmerlichen Art auf die Nerven zu gehen begann. Wer sich die Frage ernsthaft stellt, sollte von einer Basis von 67€ ausgehen – der höchsten bisher erreichten Notierung. Wir haben alle Versprechen in unserem Einführungsprospekt gehalten. Wir sind sogar deutlich über die im Prospekt von 1999 erläuterten Engagements hinausgegangen. Unser Titel notierte bei 67€, als es unseren standardisierten Kunstmarktplatz noch nicht gab. Wir dürfen daher mit Recht und logischerweise einen Anstieg unseres Aktienkurses deutlich über 67€ hinaus erwarten. Einer sehr alten Börsenregel zufolge ist ein einmal registrierter Kursstand wieder erreichbar.

Boursica.com: Zum Schluss eine Prognose zur Zukunft von Artprice?

Thierry Ehrmann: Mit Blick auf unsere im Einführungsprospekt von 1999 abgegebenen Versprechen, die damals als höchst ehrgeizig bezeichnet wurden, dürfen wir feststellen, dass wir sie alle erfüllt und sogar übertroffen haben – und dies vor dem Hintergrund der Krise der Nasdaq im Jahr 2000, der Anschläge vom 11. September 2001, des Kriegs im Irak 2003 und der großen Finanzmarktkrise, die 2007 einsetzte, aber noch keineswegs ausgestanden ist. In diesem katastrophalsten Jahrzehnt der letzten zwei Jahrhunderte kenne ich nur wenige an einer regulierten Börse gelistete Unternehmen, die ohne Kapitalerhöhung überlebt und in dieser Zeit den Sprung zum unumstrittenen Weltmarktführer geschafft haben. Ich möchte dieses Interview deshalb mit der Bemerkung abschließen, dass wir meiner Meinung nach bisher bestenfalls 10% der Entwicklung von Artprice mitverfolgt haben.

Artprice ist der Weltmarktführer für Kunstmarktinformationen und –indizes mit insgesamtmehr als 27 Millionen Auktionsergebnissen und Preisindizes von mehr als 450.000Künstlern. Artprice Images© stellt Ihnen einen unbegrenzten Zugang zu einer weltweiteinmaligen Bibliothek mit 108 Millionen Abbildungen und Drucken von Kunstwerken von1700 bis heute. Artprice bereichert laufend seine Datenbanken mit Informationen vonweltweit 3.600 Auktionshäusern und veröffentlicht kontinuierlich die Kunstmarkttendenzenfür die wichtigsten Agenturen und 6.300 Pressetitel aus der ganzen Welt.Artprice stellt darüber hinaus einen der wichtigsten Kunstmarktplätze weltweit zum Kaufen und Verkaufen von Kunstwerken, dessen angebote unter den 1.300.000 Artprice Mitgliedern bekannt gemacht werden (Quelle Artprice)

Artprice ist geführt am Eurolist by Euronext Paris : Euroclear : 7478 – Bloomberg : PRC – Reuters : ARTF

Entdecken Sie die Alchimie und das Universum von Artprice mit Artprice Film (mehr als 2,7 Millionen Aufrufe in 18 Monaten) auf http://web.artprice.com/video/ oder schreiben Sie an Artprice, um kostenlos den Film als DVD zu erhalten.

Zur Übersicht der Artprice Presseberichte: http://serveur.serveur.com/press_release/pressreleaseen.htm

Verfolgen Sie in Echtzeit das Kunstmarktgeschehen :Artprice.com auf Twitter : http://twitter.com/artpricedotcom/